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Benjamin Lakatos: Viele unterschätzen die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Union

Benjamin Lakatos: Viele unterschätzen die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der Europäischen Union

July 27, 2023
Benjamin Lakatos, Gründer und CEO von MET Group, erklärt im Interview mit Index.hu, wie er die wahrscheinlich grösste Energiekrise der Geschichte erlebt hat. Er weist ausserdem darauf hin, dass es in der öffentlichen Diskussion über Gasverträge nicht um das gehe, was wirklich wichtig ist; die Komplexität des Gasmarktes sei aber in der Tat nicht leicht zu durchschauen.

Quelle: Index.hu

In einem exklusiven Interview mit Index spricht Benjamin Lakatos unter anderem darüber,

  • wie die Energiekrise in Europa verlaufen ist,
  • ob das Schlimmste bereits überstanden ist,
  • was Europa in der jetzigen Zeit zu verlieren hat,
  • warum ein integrierter europäischer Gasmarkt wichtig ist,
  • welche besonderen Fähigkeiten MET Group im Unterschied zu anderen Unternehmen hat,
  • und warum Erfolgsgeschichten aus Osteuropa wichtig sind.

 

Das letzte Mal, dass Sie ein Interview in Ungarn gegeben haben, war vor dem Ausbruch des Coronavirus. Seitdem haben wir eine historische Energiekrise erlebt. Warum haben Sie sich bis dato nicht in der ungarischen Öffentlichkeit zu dieser Thematik geäussert?

Es stimmt, dass ich in Ungarn keine Interviews gegeben habe, aber es gab eine ständige Kommunikation zwischen MET Group und den Unternehmen im Land. Ich komme mittlerweile nur noch sehr selten in meine Heimat, unser Management dort leistet eine hervorragende Arbeit. Obwohl Ungarn für mich immer noch ein besonderes Land ist, war es für uns als Gruppe in den vergangenen Jahren wichtiger, dass ich mich auf andere Länder konzentriere. Ausserdem war die Pandemie eine aussergewöhnliche Zeit und brachte grosse Veränderungen innerhalb von MET mit sich. Wir haben unser Unternehmen, das bis dato eher den Ansatz eines KMU verfolgt hatte, umgestellt und die Transformation in einen mittelgrossen Konzern abgeschlossen. Das hat mich viel Energie gekostet.

 

Europa fast auf verlorenem Posten

 

Schon während der Pandemie tauchten Fragen rund um das Thema Energie auf, und dann begann eine überwältigende Krise. Wie haben Sie diese Zeit aus der vordersten Reihe erlebt?

Während der Pandemie hatten wir Gaspreise von 5 Euro/MWh, es gab keinen Wind in der Branche, und dann ist vergangenes Jahr ein echter Sturm aufgezogen. Kurz vor dem Ausbruch des Krieges hatte ich das Gefühl, ich könnte eine längere Auszeit nehmen. Ich hatte das Unternehmen umstrukturiert und die Managementrechte abgetreten, ich wollte ganz abschalten. Dann begann der Krieg und es war wie ein Tsunami. Der Markt war komplett in Aufruhr. Im Juni vergangenen Jahres schien es, als würde sich die Lage auf dem Energiemarkt endlich wieder etwas stabilisieren – im Nachhinein betrachtet war es wohl eher so, dass ich mich schlichtweg auf meinen Urlaub gefreut habe. Ich schaffte es dann immerhin fünf Wochen Urlaub zu nehmen, was mir in all den Jahren zuvor nicht gelungen war.

Als dann die Preise in die Höhe schossen, habe ich mehrere Menschen gefragt, ob sie überhaupt verstehen, um welche Summen es geht. Zahlen in Billionenhöhe waren im Umlauf. Allein der Anstieg der Strom- und Gaspreise auf europäischer Ebene war grösser als das gesamte jährliche BIP von drei Ländern in der Region, und das war noch nicht einmal der Höhepunkt. In Europa begann sich ein wirtschaftliches Handicap abzuzeichnen, das die Hälfte der Länder auf Dauer nicht würde verkraften können. Man musste damals ernsthaft in Erwägung ziehen, dass Europa vor einer dramatischen wirtschaftlichen Katastrophe steht, wenn es nicht gelingt, diese Entwicklung umzukehren.

 

Hinter diesen Preisen verbirgt sich möglicherweise ein tiefes strukturelles Problem. Wenn wir ein wenig in die Vergangenheit zurückgehen, gab es Zeiten, in denen die Preise im Minus lagen. Das erweckt den Eindruck, dass es sich um eine Art Preisbildungsfehler handelt.

Dem kann ich nicht zustimmen. Es handelt sich um ein reales Phänomen und es war definitiv nicht das letzte Mal, dass wir es gesehen haben. Wo ein physisches Produkt nicht gelagert werden kann oder wo die Kosten dafür extrem hoch sind, ist ein negativer Preis durchaus normal. Es liegt an den Marktteilnehmern, die Risiken auszugleichen. Aus Sicht der Verbraucher stellt es sich so dar, als würde der Markt nicht richtig funktionieren - was im Prinzip bedeuten würde, dass die Marktakteure und die Industrie ihre Aufgabe nicht professionell wahrnehmen. Aber gerade auf dem Strommarkt werden mit der Fülle an erneuerbaren Energien, die noch kommen werden, in Zukunft vermehrt negative Preise zu sehen sein. Denn wenn die Sonne scheint, wird so viel Strom produziert werden, dass es nicht möglich ist ihn physisch zu nutzen. Solange keine Technologien vorhanden sind, um diesen überschüssigen Strom für etwas Sinnvolles zu nutzen, werden wir immer wieder für ein bis zwei Stunden negative Preise erleben. Wenn diese negativen Preise länger als ein paar Stunden anhalten, ist es tatsächlich ein Fehler, aber insgesamt ist der negative Preis eine Strafe für diejenigen, die in die falsche Richtung gehen. Bei Erdgas ist das ein wenig anders. Zum einen gibt es in Europa tägliche Abrechnungen und es ist im Gegensatz zum Strom einfacher, Gas zu lagern – obwohl wir nicht vergessen dürfen, dass die Lagerung Kosten verursacht und der Gaspreis leicht auf das Niveau für die Kosten der Lagerung sinken kann.

 

War Ihnen beim Ausbruch des Krieges sofort klar, dass die Ära der billigen Energie aus dem Osten ein für alle Mal vorbei sein würde?

Zuerst waren alle schockiert, hektisch, dann setzten sie sich hin und begannen zu rechnen. Heute fällt es mir viel leichter, die Frage zu beantworten, ob Europa in Schwierigkeiten steckt oder nicht, als noch vor einem Jahr, als physikalische Fragen auf der Tagesordnung standen. Kapazität und Infrastruktur mussten aufgebaut werden, und alle waren der Meinung, dass das drei bis fünf Jahre dauern würde. Wir bei MET Group waren etwas optimistischer, wir sind von zwei bis drei Jahren ausgegangen. In Westeuropa wurde das Problem, wie man ohne russisches Gas heizen und Strom erzeugen kann, letztlich innerhalb eines Jahres gelöst, und zwar aufgrund einer glücklichen Kombination von Faktoren wie dem enormen Rückgang des Verbrauchs und dem milden Winter. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass russisches Gas weiterhin über Pipelines geliefert wird. Früher waren es 150 Mrd. Kubikmeter, jetzt sind es etwa 20 bis 30 Mrd. Kubikmeter. Für Osteuropa ist der nächste Winter immer noch eine offene Frage: Wenn es richtig kalt wird und in Asien die Nachfrage nach Gas stark anzieht, könnte es böse Überraschungen geben. Wenn wir aber einen durchschnittlichen Winter haben, wird Europa keine physischen Versorgungsprobleme bekommen. Das ist ein Satz, für den vor einem Jahr noch jeder alles gegeben hätte.

 

Europas Probleme mit der Wettbewerbsfähigkeit

 

Glauben Sie, dass der russische Präsident Wladimir Putin wusste, dass die voranschreitende Energiewende und der Beginn der Diversifizierung der Energiequellen der letzte Moment sein würde, um Europa mit Gas zu erpressen? Gibt es einen Energieaspekt in der Machtpolitik?

Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Krieges und der Energiewende in Europa. Energie ist ein Instrument auf der Agenda der Grossmächte, es ist sicherlich von Bedeutung, aber nicht absolut zentral. Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit der Preiskrise des vergangenen und des laufenden Jahres ist, wie sich die Wettbewerbsfähigkeit Europas entwickeln wird.

 

Können wir überhaupt davon sprechen, dass wir Europa als wettbewerbsfähige Einheit betrachten?

Ich bin ein grosser Fan der Europäischen Union, aber wenn sie es nicht schafft, eine einheitliche Wirtschaftszone zu bilden, wird sie in hundert Jahren keinen Einfluss auf das Geschehen in der Welt haben. An der Peripherie zu sitzen ist immer problematischer als eine echte Beteiligung am Diskurs. Wenn wir über den Horizont Europas hinausgehen, dann sehen wir, dass andernorts die Gegenwart und die Zukunft eine viel grössere Geschwindigkeit aufweisen. Auf dem alten Kontinent habe ich das Gefühl, dass wir langsamer geworden sind und an Relevanz verlieren, weil wir nur noch auf das reagieren, was um uns herum passiert.

Es gibt eine Art europäische Schwäche, weil wir Europäer unterschätzen, was die EU in wirtschaftlicher Hinsicht bieten kann. Aber bitte interpretieren Sie das nicht nur im ungarischen Kontext. Es gibt viele europäische Erfolgsgeschichten: den Euro, das Recht auf Freizügigkeit, aber auch den gemeinsamen europäischen Energiemarkt. Der gemeinsame Markt für Strom und Gas ist eine grosse Chance und kein Problem. Gleichzeitig gibt es aber kaum Erfolgsgeschichten, in denen Europa in den vergangenen zehn Jahren nicht an Boden verloren hat, sondern stärker werden konnte. Die Rolle der TTF-Gasbörse auf dem Weltmarkt ist genau so eine Erfolgsgeschichte. Bis zur Krise wurde TTF sowohl von asiatischen als auch von US-amerikanischen Marktteilnehmern als Referenzpunkt verwendet. Man kann darüber streiten, ob sie gut funktioniert oder nicht, aber es ist nicht zu leugnen, dass sie globale Bedeutung hat. Der gemeinsame Energiemarkt muss weiterentwickelt und sein gesamtes Potenzial ausgeschöpft werden. Auf dem Finanzmarkt zum Beispiel gibt es viele Instrumente, die noch nicht auf den Energiemarkt übertragen worden sind.

 

Das entspricht einem universellen, kollektiven Denken. Im Gegensatz dazu grassieren jetzt, je näher eine Nation an der Front ist, umso mehr Protektionismus und Nationalismus. Seit dem Krieg ist die gewünschte Einheit in Europa weniger sichtbar. Unsere wirtschaftlichen Wünsche sind womöglich durch unsere Vergangenheit eingeschränkt.

Protektionismus macht auf mittlere und lange Sicht schwach. Wenn ich es aus einer europäischen Perspektive betrachte, gibt es eine historische Belastung, aber ich glaube nicht, dass sie wesentlich stärker ist als ausserhalb Europas. Ich stimme zu, dass soziale Gefühle wichtig sind, aber sie können nicht von der wirtschaftlichen Realität getrennt werden. Wenn eine Region wirtschaftlich schwach ist, dann gibt es viel mehr soziale Probleme. Es liegt an den Wirtschaftsakteuren, die stärkstmögliche europäische Wirtschaft zu schaffen. Wir können gemeinsam viel mehr Wert schaffen als getrennt. Wir sollten also die alten Geschichten und Beschwerden beiseitelegen – jeder gewinnt, wenn er einen Mehrwert schafft. Ausserdem ist der andere Weg ziemlich beängstigend. Der Energiesektor ist in diesem Zusammenhang ein sehr wichtiger Faktor. Einer unserer Eigentümer, Keppel in Singapur, versteht diese Art der Prioritätensetzung und Herangehensweise zum Beispiel sehr gut.

 

Haben Sie die Beziehungen zu Gazprom abgebrochen?

Nein, wir sind nach wie vor in Kontakt. Die derzeitige Situation ist natürlich schwierig, Krieg ist immer schlimm, 200.000 bis 300.000 Menschen sind gestorben, weil es nach wie vor keine Einigung zwischen den involvierten Parteien gibt, und es wird eine halbe Million Familien geben, in denen ein Vater oder ein Kind fehlt. Solch ein Preis ist einfach inakzeptabel, der darf nicht bezahlt werden. Manchmal erfordert gerade die Entscheidung, nicht in den Kampf zu ziehen, echte Stärke. Sich für einen Kompromiss zu entscheiden, ist oft schwieriger und erfordert viel mehr Demut. Dieses sinnlose Töten muss so schnell wie möglich aufhören. Wir als Unternehmen hoffen sehr, dass wir nach dem Ende des Krieges in der Lage sein werden, sowohl auf dem russischen als auch auf dem ukrainischen Markt präsent zu sein. Natürlich gibt es dafür Voraussetzungen, die noch zu schaffen sind, und wir halten uns immer an das internationale Recht.

 

Der Preis ist nicht alles bei Gasverträgen

 

Vor zwei Jahren hat die ungarische Regierung ihren Gasvertrag mit Gazprom verlängert. Würde Ungarn billigeres Gas bekommen, wenn wir uns nicht in diesem Ausmass verpflichten und auf Börsenbasis kaufen würden?

Auf dem Lande pflegten wir zu sagen: Der Bauer ist klüger, nachdem er das Geschäft abgeschlossen hat. Ich mag diese Art von Frage nicht. Wir reden darüber, wann man Euro für einen Urlaub kaufen sollte oder ob man einen Fremdwährungskredit aufnimmt, und dann beurteilen wir im Nachhinein, ob es eine gute Idee war und was wäre, wenn. Jeder hat eine Idee, aber in Wirklichkeit handelt es sich um einen komplexen Markt mit vielen Faktoren. Transaktionen können in dem Moment beurteilt werden, in dem sie abgeschlossen werden. Wenn es irgendwo jemanden gibt, der die Antwort auf zukünftige Trends im Voraus weiss, stelle ich ihn sofort ein.

Der politische Diskurs über die Gaspreise in Ungarn ist einfach Unsinn. Ein Grossteil des öffentlichen Diskurses hat nichts mit der Realität des Marktes zu tun. Der politische Dialog legt nahe, dass niemand verstehen will, wie die Branche funktioniert. Es werden im Nachhinein Preise von Transaktionen bewertet, die in der Vergangenheit abgeschlossen wurden, aber da betrachtet man nur einen bestimmten Zeitpunkt. Währenddessen dreht sich die Welt aber weiter. Deshalb ist das Unsinn. Ich möchte betonen, dass sich mein Kommentar auf den Preis bezieht. Der Gashandel ist übrigens auch ein Beruf, genau wie die Politik. Der kürzlich von der ungarischen Regierung beschlossene Mechanismus des Zahlungsaufschubs ist ein ernsthafter und greifbarer Wert. Aber lassen Sie mich politische Entscheidungen nicht weiter bewerten.

 

Die Gerüchte sind also wahr: Benjamin Lakatos regt sich schnell auf, wenn es bei einem Gasvertrag nur um den Preis geht. Wie sollten diese Verträge denn Ihrer Meinung nach beurteilt werden?

Ich würde mir wünschen, dass jemand diese Frage in den vergangenen zwanzig Jahren gestellt hätte. Heute verliert sie an Bedeutung und ist nur noch für langfristige LNG-Verträge sinnvoll. Ein Beispiel: Wenn jemand ein Auto kauft, ist der Preis nur eine von vielen Überlegungen. Es spielt auch eine Rolle, wie die Ausstattung ist, ob es sich um einen Diesel oder Benziner handelt und so weiter. Alle wollen immer nur über den Preis reden, aber Gasverträge beschreiben rechtlich gesehen eine finanzielle und rechtliche Risikoverteilung zwischen zwei Parteien, es geht zum Beispiel um Lieferpunkt, Zahlungsfrist und Verbrauchsflexibilität. Wer mehr Risiko auf sich nimmt, wird dies in seinem Preis widergespiegelt sehen. Es lohnt sich daher nicht, über den Preis zu diskutieren, solange die Details nicht geklärt sind.

 

Haben Sie eine Meinung dazu, wie die Regierung die Gasbeschaffung durchführen sollte?

Es ist unglücklich für ein Unternehmen, sich zur Politik zu äussern. In diesem Punkt möchte ich lieber darauf hinweisen, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der Europäischen Union in allen Bereichen, einschliesslich der Energie, unterschätzt werden. Das gilt nicht nur für Ungarn, in vielen Ländern wird das Potenzial der EU nicht richtig genutzt.

 

Von Osteuropa auf den globalen Markt

 

Was ist das Erfolgsgeheimnis von MET Group? Gibt es einen einzigartigen Faktor, der Sie von anderen unterscheidet?

Ein bewusstes Ziel und unsere HR-Philosophie war es schon immer, die talentiertesten Leute zu finden. Einer meiner Universitätsprofessoren hat mal gesagt, dass man in einem Markt, der nicht ausgereift ist, keine Experten für frühere Technologien einstellen sollte, weil es schwierig ist, sie im Kopf „umzustellen“. Es geht vielmehr darum, sehr kluge und sehr motivierte Leute zu holen. Es mag am Anfang etwas holprig sein, aber sie werden die Branche  kennenlernen und sich gut behaupten. Das ist die Art von Leuten, nach denen wir suchen, und das ist eine Idee, die in unserem Unternehmen fest verankert ist. Und dann, wenn sich jemand beruflich bewährt hat, nach etwa drei Jahren, kann man sehen, wie sehr man ihm vertrauen kann. Und natürlich müssen die Menschen, die sich besonders auszeichnen, auch bezahlt werden, man muss sich um sie kümmern - und das tun wir.

 

Wie viel kann man in Ungarn mit Talent und Ehrgeiz verdienen?

Es gibt eine Menge talentierter Menschen in Ungarn. Ich sehe, dass sich gerade junge Menschen mit Enthusiasmus und Talent ihre Zukunft eher anderswo vorstellen, aber das ist ein zweischneidiges Schwert: Einerseits ist es gut für sie, Erfahrungen im Ausland zu sammeln, denn es kann einen Perspektivenwechsel bringen und sie können andere Kulturen kennenlernen. Das Problem liegt darin, wenn junge Menschen nicht mehr zurückkehren.

Die Frage, wie schwierig es ist, es allein mit hervorragenden Fähigkeiten zu schaffen, ist komplizierter. Einerseits gibt es Kulturen in der Welt, in denen es vielleicht einfacher ist, zurechtzukommen, aber gleichzeitig ist das ungarische Denken sehr einzigartig, wir werden anderswo viel weniger verstanden. Daran müssen wir Ungarn noch arbeiten. Gleichzeitig bin ich mir sicher, dass man in Ungarn Erfolg haben kann, wenn man die richtigen Fähigkeiten und die nötige Beharrlichkeit hat.

 

Letztes Jahr hat Forbes Sie auf Rang 36 der reichsten Menschen Ungarns gesetzt. Sind Sie darauf besonders stolz?

Ich bin stolz darauf, dass wir es von Osteuropa aus geschafft haben, dass unser Unternehmen hier entstanden ist. Später sind wir auch in Westeuropa erfolgreich geworden, aber wir haben in Osteuropa angefangen, unsere Erfolgsgeschichte hat hier begonnen. Es ist wichtig, dass es in Osteuropa Unternehmen gibt, die auch im Westen erfolgreich sind. Wir sind zwar nicht das einzige Beispiel, aber es bräuchte viel mehr davon.

Ich wurde in dem Glauben erzogen, dass ich es schaffen kann. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich gehöre zur ersten Generation, die damals mitbekommen hat, was nach dem Ende des Eisernen Vorhangs passiert ist, aber wir schauten eigentlich nur zu. Wir haben damals lediglich versucht, die Welt zu verstehen. Wir konnten die Grenzen immer noch spüren, aber wir stiessen nicht mehr an sie. Wir hatten Freiheit, wir konnten alles tun, aber wir hatten nichts. Und um im Ausland erfolgreich zu sein, muss man einfach das globale Kastensystem überspringen. Das ist es, was mich motiviert hat. Man muss betrachten, wer wir sind, und nicht ob wir aus Budapest oder Bukarest kommen. Ich habe nie akzeptiert, dass man von Osteuropa aus keinen globalen Mehrwert schaffen kann. Wir haben es wirtschaftlich geschafft, MET Group gehört heute zu den 20 umsatzstärksten Schweizer Unternehmen. Es ist also nicht die Tatsache, dass ich zu den Top 100 gehöre, die mich befriedigt, sondern die Tatsache, dass wir es geschafft haben. Natürlich ist es schwierig darauf stolz zu sein, ohne Ablehnung zu provozieren.

 

Nutzen Sie in Ihrem täglichen Leben, was Sie als Kind von den Franziskanern gelernt haben?

Ja, natürlich. Nach meinem Vater habe auch ich das Franziskanergymnasium in Esztergom besucht. Am Anfang war es schwierig, sich in das strenge System einzufügen, aber im Nachhinein betrachtet war es mit die beste Zeit meines Lebens. Es hat mir eine Perspektive gegeben, die ich für den Rest meines Lebens nutzen kann. Ich habe viel über Demut gelernt, mein Freundeskreis ist immer noch damit verbunden und ich bin immer noch religiös.