Quelle: Energate Messenger
energate: Herr Selbach-Röntgen, der Vorstandsvorsitzende der MET Group, Benjamin Lakatos, hat im Interview mit energate angekündigt, dass Ihr Unternehmen in Deutschland wachsen will und dabei auch auf Beteiligungen und Übernahmen setzt. Wie ist Ihre Strategie?
Selbach-Röntgen: Grundsätzlich setzen wir auf nachhaltiges, stabiles Wachstum und eine solide Position im deutschen Markt. Wir sind seit dem Markteintritt vor etwas mehr als drei Jahren trotz Corona und Energiekrise erfolgreich gestartet, profitabel und der Appetit ist da. Es gibt aufgrund der gestiegenen, neu zu bewertenden Risiken nicht mehr viele, die bereit sind, Liquidität in den Markt zu packen oder zusätzliche Großindustriekunden zu beliefern. Inwiefern jetzt tatsächlich Übernahmen kommen werden, lässt sich heute noch nicht genau sagen. Wir sind wirtschaftlich dazu in der Lage, aber es muss auch passen.
energate: Sie haben von der Gas-Union das Speichergeschäft übernommen. Gilt Ihr Interesse weiteren Speicherbetreibern oder eher anderen Bereichen?
Selbach-Röntgen: Es geht für uns als Gruppe querbeet um alles von Assets bis hin zu Firmen, Firmenteilen oder auch Portfolios. Zunächst gilt es jedoch, das organische Wachstum weiter voranzutreiben und unsere Marktstellung deutlich auszubauen.
energate: Wie viel Gasumsatz haben Sie derzeit in Deutschland?
Selbach-Röntgen: Wir bewegen uns im Bereich einer zweistelligen TWh-Zahl. Das ist gemessen am Potenzial noch weit hinter dem, was wir können, wobei das auch schwer zu definieren ist. MET Group war ja auch schon vor der Gründung von MET Germany in Deutschland handelsseitig aktiv und hat Gegenparteien beliefert. Gemeinsam mit unserem Trading-Floor in der Schweiz entwickeln wir unsere Strategie, Produkt- und Lieferkonzepte stetig fort und gewinnen neu Kunden über alle Segmente.
energate: Haben Sie auch Kooperationen mit Stadtwerken?
Selbach-Röntgen: Wir sind mit fast allen großen Stadtwerken in engem Austausch und gewinnen kontinuierlich neue dazu. Ob als reiner Handelspartner, als Dienstleister z.B. im Bereich des Bilanzkreis-Pools, wo bereits zahlreiche Stadtwerke Kunden sind, oder als Hauptlieferant, der bei der Beschaffungsstrategie hilft oder wie aktuell wieder vermehrt die Gespräche über Flexibilität führt. Wir fühlen uns den Stadtwerken sehr verbunden, wollen und werden hier weiter wachsen.
energate: Das heißt, den Vollversorgungsvertrag werden wir nicht mehr haben?
Selbach-Röntgen: Vollversorgung ist eine Definitionssache. Wenn mit Vollversorgung eine Flexibilität von 70 bis 130 auf eine feste Menge gemeint ist, wie sie noch vor wenigen Jahren ganz üblich angeboten wurde, dann glaube ich nicht, dass das so wiederkommen wird. Es gibt minimale Toleranzbänder momentan am Markt zu kaufen, zu enormen Prämien und ich persönlich glaube, dass Kunden besser beraten sind, sich anderweitig unterstützen zu lassen, etwa im Portfolio-Management, in der Strukturierung ihrer Risiken. Am Ende sind es beträchtliche Risiken, die jeder Großhändler und Versorger eingehen muss. Nicht jeder Marktteilnehmer ist dazu bereit.
energate: Bedeutet das, die kleinen Unternehmen kriegen noch Flexibilitäten und die größeren nicht?
Selbach-Röntgen: Nein, es ist egal, ob sie klein, mittel oder groß sind. Wenn Sie jetzt 10 oder 20 kleine Kunden beliefern und denen jeweils das Toleranzband geben, dann ist das auch ein Klumpenrisiko. Bei allen Kollegen, mit denen ich über eine vermeintliche Renaissance von Toleranzbändern spreche, bekomme ich als Feedback enorme Skepsis. Ich denke, das Know-how, die Ressource für Portfolio-Management, für Risikomanagement ist bei vielen Stadtwerken einfach ausbaufähig. Da muss man Unterstützung bieten, das erfordert aber auch Offenheit.
energate: Sie sagen, das Bilanzkreis-Pooling wird wachsen. Nach GABi Gas 2.0 haben die Modelle aber doch viel Attraktivität eingebüßt.
Selbach-Röntgen: Da würde ich widersprechen. Wir haben als Team große Erfahrungen im Bereich des Poolings und haben vor dem Start von MET Germany einen der größten Bilanzkreis-Pools in Deutschland erfolgreich geführt. Viele unserer Kunden kennen uns noch von damals und es gibt einige große Unternehmen, mit denen wir aktuell über ihren Einstieg sprechen. Es ist eine thematisch logische Ergänzung unseres Angebotsspektrums und bedeutet für beide Seiten eine wirtschaftlich interessante Perspektive, sonst würden wir es nicht machen.
energate: Leidiges Thema LNG, da gibt es bis jetzt noch keinen Vertragsabschluss mit potenziellen Abnehmern, was machen Sie jetzt?
Selbach-Röntgen: Es ist absolut unstrittig, dass es dem deutschen Markt guttun würde, wenn es seitens der großen Industriekunden und Stadtwerke mehr langfristige Abnahmeverträge für LNG gäbe. Wir sind weiterhin in Gesprächen, aber die Fortschritte sind nicht so schnell, wie es aus unserer Sicht für den Markt insgesamt nötig wäre.
energate: Woran hakt es dann noch?
Selbach-Röntgen: Die Preise haben sich abgekühlt und das sorgt im Markt dafür, dass Langfristverträge nicht mehr so einfach abzuschließen sind. Es unterhalten sich vor allen Dingen diejenigen mit uns, die Diversifikation und Risikomanagement verstehen. Wer im vergangenen Jahr auf der Suche nach einem schnellen Preiseffekt war, ist raus. Das ist vielleicht auch besser so, wir haben es immer als Stabilisierung für den Markt gesehen, insofern bin ich auch nicht zufrieden damit, dass wir so wenig LNG sehen.
Das aktuelle Preisniveau täuscht darüber hinweg, dass Deutschland beim LNG an einen globalen Markt gekoppelt ist. Wenn jetzt zum Beispiel in Asien die Nachfrage anzieht und wir in Deutschland nicht genug Langfristverträge haben, dann hat das einen Preiseffekt zur Folge, dann ist auch die Volatilität sofort wieder da und dann müssen wir uns als Wirtschaftsstandort fragen, wie wettbewerbsfähig wir sein können.
energate: Kritiker reden von Überkapazitäten bei den Importterminals. Wie sehen Sie das?
Selbach-Röntgen: Ich bin froh, dass wir die Infrastruktur haben, und der Meinung, dass diese Debatte über Stranded Assets und Over-Investment eine falsche ist. Der wirtschaftliche Schaden für unser Land und unsere Nachbarn wäre bei hoher Volatilität ungleich viel höher als das Investment in die Infrastruktur.
Ein paar Zahlen zur Veranschaulichung: Nord Stream 1 hatte eine Kapazität von 55 Mrd. Kubikmeter (150 Mio. Kubikmeter/Tag) und mit der geplanten Inbetriebnahme von Nord Stream 2 hätte sich die Kapazität auf 110 Mrd. Kubikmeter pro Jahr verdoppelt. Die vorhandenen Regasifizierungskapazitäten in Deutschland werden sich Ende 2024 auf rund 31 Mrd. Kubikmeter belaufen, was etwa 28 Prozent der beiden Nord-Stream-Pipelines entspricht. Man muss bedenken, dass neben Deutschland auch Binnenländer wie Tschechien, die Slowakei oder die Schweiz von den vorhandenen Regasifizierungskapazitäten an den deutschen Küsten profitieren - diese stellen ein grundlegendes Mittel des Risikomanagements für mehrere Länder dar.
Das Gespräch führten Michaela Tix und Thorsten Czechanowsky.