Autor: Vasilis Pappas, Senior Meteorologist, MET Group
Für das Thema Meteorologie bei MET Group ist Vasilis Pappas zuständig. Anhand von Quantifizierungen und Analysen von Wetterdaten erstellt der Meteorologe für die erneuerbaren Energieanlagen von MET Group verschiedene Szenarien. Pappas hat in Griechenland und Grossbritannien Physik und Meteorologie studiert und in Grossbritannien und Deutschland unterschiedliche Stationen in der Energiebranche und im akademischen Bereich absolviert. Seit rund zwei Jahren arbeitet er am Hauptsitz von MET Group in der Schweiz und ist überzeugt, dass die hiesige Windlage Investitionen in die Windenergie begünstigt.
Ausgangslage Schweiz
Die Schweiz ist in Bezug auf ihre Landschaft einzigartig. Im Süden hohe Berge mit steilen Hängen, in der Zentralschweiz und im Nordosten Täler mit Seen und im Nordwesten wiederum das Juragebirge (Abbildung 1). In Bezug auf das Windpotenzial ergibt sich daraus ein komplexes Mosaik von Stark- und Schwachwindregionen sowie eine grosse Bandbreite an unterschiedlichen Windrichtungen. Ein Beweis für die Einzigartigkeit der Schweizer Landschaft sind die für die Region charakteristischen Winde namens Föhn, Bise und Westwind. Ersterer ist ein Wind, der in den inneralpinen Tälern auf der Nord- und Südseite der Alpen weht. Die letzten beiden sind ein Nordost- bzw. Südwestwind, die hauptsächlich über dem Schweizer Mittelland wehen.
Figure 1. Karte Berggebietsregionen der Schweiz 2023 (Source: Wikipedia).
Windkraftpotenzial
Aktuell sind die meisten Windturbinen in der Westschweiz installiert (Abbildung 2). Dies deckt sich teilweise mit den windreichen Standorten gemäss dem Windatlas des Bundesamts für Energie 2020 (Abbildung 3). Jedoch gibt es im Mittelland zwischen Jura und Alpennordseite, in den Föhntälern nördlich der Alpen, entlang der Alpenpässe sowie in den südwestlichen Regionen nördlich und südlich der Rhone noch zahlreiche Standorte mit interessantem Windkraftpotenzial.
Figure 2. Wind parks in operation. (Source: https://suisse-eole.ch/de/windenergie/windparks/)
Figure 3. Yearly average of the simulated wind speed and wind direction at 125 m above the ground. Source: Windatlas Schweiz.
Messungen und Simulationen
Die Simulationen von Windgeschwindigkeit und Windrichtung sind für die Schweiz – aufgrund der vergleichsweise komplexen Landschaft – schwieriger als für andere, weniger komplexe Regionen, wie etwa Norddeutschland oder die Benelux-Länder. Heutzutage verfügt MET Group, wie andere auch, jedoch über fortschrittliche Simulationsmethoden mit künstlicher Intelligenz, die es ermöglichen, auch bei komplexen Voraussetzungen gut begründete Entscheidungen zu treffen.
Dieselben Methoden wurden bereits für die Windparks von MET Group in Bulgarien sowie auch für andere in Planung und Bau befindliche Projekte erfolgreich eingesetzt. Die richtige Kombination von Messungen und Simulationen ist nicht nur für die Planungsphase wichtig, d.h. für die Auswahl des optimalen Standorts, sondern auch für die Berechnung des Strompreises, der zu verkaufenden Mengen und der daraus zu erwartenden Einnahmen. Darüber hinaus ist in der Betriebsphase eine möglichst genaue Wettervorhersage für die weitere Optimierung der Erträge aus dem Windpark wichtig. Auch die Wartungszeit kann mit Hilfe von mittel- und langfristigen Wettervorhersagen optimal geplant werden.
Windkraftpotenzial ist vorhanden
Lohnt es sich also, in der Schweiz in die Windenergie zu investieren und sich den Herausforderungen des komplexen Geländes zu stellen? In der Literatur finden sich zahlreiche Studien, die die Variabilität der Windgeschwindigkeit in Europa anhand von Wetterregimen klassifizieren und charakterisieren. Die folgende Abbildung stammt aus einer dieser Studien (Cortesi et al., 2019) und zeigt die relativen Windgeschwindigkeitsanomalien für jedes der vier Wetterregime (wir haben hier nur die Wintermonate aus deren Abbildung 4 übernommen).
Daraus ist ersichtlich, dass der Wind zwar in Nordwest-Europa stärker weht, dies aber nicht immer der Fall ist. Es kommt häufig vor, dass Stürme, die vom Atlantik ausgehen, nach Südeuropa gelenkt werden. Dies führt zu den bekannten Herbst- und Winterstürmen in Westwind-Wetterlage in der Schweiz.
Figure 4. Average (1981-2016) JRA-55 10-m wind speed relative anomalies (in %) for each of the four monthly regimes from December (top row) to February (bottom row). Regimes are shown, from left to right, in decreasing order of average monthly frequency of occurrence (1981-2016). Contour lines show associated SLP anomalies, with a separation of 2 hPa. Bold black lines show null anomalies, while dashed lines show negative ones. Black points indicate areas where anomalies are significantly different from zero (t-test at 99% confidence level). Source: Cortesi, N., Torralba, V., Gonzalez-Reviriego, N., Soret, A., Doblas-Reyes F. J., 2019: Characterization of European wind speed variability using weather regimes, Climate Dynamics 53:4961-4976.
Vor diesem Hintergrund lautet die Antwort: Ja, es lohnt sich, auch in der Schweiz in Windenergie zu investieren. Denn diese Verhältnisse führen dazu, dass in der Schweiz Windstrom insbesondere im Winter anfällt, wenn die heimische Wasserkraft und auch die Solarenergie weniger produzieren. Darüber hinaus ist die Schweiz stark mit dem Stromnetz in Europa vernetzt und es ist wahrscheinlich, dass in Europa in Zukunft vermehrt im Winter die Export-Kapazität in die Schweiz limitierend sein wird. Das bedeutet, dass die Schweizer Windparks auch dann zur Energieversorgung beitragen können, wenn die Produktion aus erneuerbaren Energiequellen in anderen Ländern gering ist (z.B. während Regime 2 im Dezember oder Regime 4 im Januar).
Windstrom ist zudem eine ideale Ergänzung zur Solarenergie aus PV-Anlagen. Zusammen sind sie damit perfekt komplementär zum bestehenden Schweizer Kraftwerkspark aus erneuerbarer Wasserkraft mit den bewährten Laufwasser-, Pump- und Speicherkraftwerken.